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Update Europa! Neustart der Alten Welt.

01/11/2012

Antragsteller:

Landesvorstand

Antrag

  1. Europas Entwicklung ist keine Tagespolitik

Die deutsche Europapolitik erweckt immer mehr den Eindruck, durch kurzfristige Entwicklungen getrieben zu sein. Staatsschulden- und Finanzkrise zwingen die Regierungen der europäischen Staaten zu Integrationsschritten, die gegenüber der Öffentlichkeit nur unzureichend begründet und in der politischen Debatte nur oberflächlich diskutiert werden. Es entsteht der Eindruck, dass volkswirtschaftliche Erfordernisse diktieren, was europapolitisch notwendig ist. Zudem prägen die Urteile des Bundesverfassungsgerichts die Ausgestaltung der Integration mehr als der wissenschaftliche, publizistische und politische Diskurs.

Für die Junge Union im Heimatbundesland des großen Europäers Helmut Kohl ist die Entwicklung Europas nicht irgendein Thema der Tagespolitik. Uns bedeuten die Regionen Pfalz, Rheinhessen, Westerwald, Eifel, Hunsrück, Taunus und das Rheinland Heimat. Wir betrachten Deutschland als unser Vaterland – und sie sind tief davon überzeugt, dass Europa unsere Zukunft ist.

Die Junge Union Rheinland-Pfalz fordert ein konzeptionelles Nachdenken über die Zukunft Europas!

  1. Warum Europa?
  2. Friedensprojekt Europa

Wir leben in einem Land, in dem seit 67 Jahren Frieden herrscht. Für viele Menschen ist ein Krieg auf deutschem Boden heute völlig unvorstellbar. Es ist keine Fußnote der Geschichte, dass die Gemeinschaft der Nationen den Frieden in Europa sichert. Nicht nur die Aussöhnung Deutschlands mit seinen Nachbarn, die Grundlage für die deutsche Einheit im Jahr 1990, sondern auch die Völkerfreundschaften zwischen den anderen europäischen Nationen sind auf dem Boden des europäischen Integrationsprozesses fruchtbarer gediehen denn je. Viele wichtige Errungenschaften im Alltag, die heute selbstverständlich erscheinen, sind nicht nur aus dem europäischen Integrationsprozesses heraus entstanden, sie sind auch nur im Rahmen eines geeinten Europas zu erhalten.

Heute zeigt sich mehr denn je, dass Stillstand im Einigungsprozess auch bisher erreichte Erfolge gefährdet. Auch wenn seit dem kriegerischen Konflikt in Bosnien und im Kosovo in den 1990er Jahren kein Konflikt westlich des Kaukasus mehr mit militärischen Mitteln ausgetragen wurde, bietet nur die Gemeinschaft der europäischen Staaten die Gewissheit, dass Probleme zwischen den Staaten auf diplomatischem Weg gelöst werden.

Das Friedensprojekt Europäische Union wurde deshalb zu Recht mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

  1. Europas Werte in der Welt

Im Jahr 1950 betrug der Anteil der Bevölkerung Europas an der Weltbevölkerung über 20 %, im Jahr 2050 werden es unter 8 % sein. Asien wird in den nächsten Jahren Europa beim Bruttoinlandsprodukt überholen.

Die Kultur Europas ist gegründet auf griechischer Philosophie, christlicher Religion und römischem Recht. Vorbereitet durch die Ideen der Aufklärung, zählen Demokratie und Pluralismus zu den Werten der Union. Die universellen Menschenrechte prägen über die Charta der Grundrechte und nicht zuletzt die Europäische Menschenrechtskonvention Denken und politisches Handeln.

Nur politisch vereint wird das kulturell begründete Europa in der Weltgemeinschaft der Staaten für seine Werte eintreten können.

  1. Deutschlands Interessen in der Welt

Die Exportnation Deutschland ist auf den Zugang zu den weltweiten Märkten angewiesen. Umgekehrt ist die Welt am deutschen Absatzmarkt interessiert. Die politische Einigung Europas sichert der Bundesrepublik die Verhandlungsmacht in der Welt. Der Zugang zum europäischen Binnenmarkt sorgt für eine sichere Grundlage deutschen Wirtschaftserfolgs.

III. Wie weiter mit der EU?

Das Grundgesetz verpflichtet schon in der Präambel die Bundesrepublik dazu, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen. Nach Artikel 23 Absatz 1 des Grundgesetzes hat die Bundesrepublik an der Entwicklung der Europäischen Union mitzuwirken. Auch der EU-Vertrag versteht sich als „eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker“ (Artikel 1 Absatz 2) und blickt damit in die Zukunft.

Doch wohin soll sich die „immer engere Union“ entwickeln? Wie soll sie ihre sachpolitischen Kompetenzen gebrauchen?

  1. Europa als Union der verbundenen Vaterländer

In einer frühen Phase der Diskussion schienen die „Vereinigten Staaten von Europa“ erstrebenswert. Nur selten dachte man dabei an die Realisierung eines europäischen Bundesstaats mit Staatsqualität. Nach Ansicht der Jungen Union Rheinland-Pfalz soll sich die Europäische Union nicht zu einem Europäischen Bundesstaat entwickeln. Die „Vereinigten Staaten von Europa“ sollen in einem Europa der Vaterländer verbunden sein. Den europäischen Staaten müssen bedeutende eigene Gestaltungsmöglichkeiten verbleiben.

Dabei zeigt sich schon auf der Entwicklungsstufe des Vertrages von Lissabon, dass die Auffächerung der unionalen Sachkompetenzen eine Breite erreicht hat, die nahezu keinen Lebenssachverhalt mehr unberührt lässt. Die europäische Politik steht deshalb vor der Aufgabe und Herausforderung, gesetzgeberische und administrative Instrumente und Methoden zu entwickeln, die dem Grundsatz der Subsidiarität gerecht werden.

Europa bietet die Chance, Abläufe zu koordinieren, grenzübergreifende Konzepte zu realisieren und dabei gleichzeitig einen Wettbewerb um die effizienteste Verwaltung durchzuführen. Rund ein Drittel der Bürokratiekosten beruhen auf der ineffizienten Umsetzung von europäischem Recht in den Einzelstaaten[1]! Die Möglichkeiten der elektronischen Vereinfachung von Verwaltungsprozessen sind dabei längst noch nicht ausgeschöpft. Überschießende Umsetzungen europäischer Vorgaben sind weitestgehend zu vermeiden.

  1. Fiskalunion – Solidarität und Disziplin gehören zusammen

Eine Fiskalunion unter größtmöglicher Freiheit der Nationalstaaten wird nur gelingen, wenn sich sämtliche europäische Mitgliedsstaaten zu Schuldenbremsen verpflichten und jeweils ausufernde Sozialsysteme verhindern. Hier müssen die europäischen Institutionen bei Regelverstößen probate Mittel erhalten, um Fehlentwicklungen frühzeitig Einhalt gebieten zu können.

Die Junge Union lehnt jedwede Vereinheitlichung von Verantwortung bei der Schuldenaufnahme ab. Gemeinsame Schuldverschreibungen wie Eurobonds, die schwächelnde Staaten zu höherer Schuldenaufnahme verleiten können, sind auf europäischer Ebene wie zwischen den Bundesländern strikt abzulehnen.

Die Bundesrepublik muss bei der Entschuldung mit bestem Beispiel voran gehen. Da die Schulden von heute von den kommenden Generationen teuer bezahlt werden müssen, muss Deutschland das Ziel der Schuldenrückführung auf dem schnellsten Weg erreichen.

  1. Sozialunion – Die Menschen fördern, die Wettbewerbsfähigkeit steigern

Entscheidend für die Akzeptanz Europas und seiner Institutionen bei den Bürgerinnen und Bürgern ist, dass Fördermittel aus Töpfen der Europäischen Union ausschließlich und nachweislich zur Steigerung von Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung, zum Erhalt natürlicher und kultureller Ressourcen nach strengen Kriterien sowie zur Einhaltung der europäischen Charta der Menschenrechte verwandt werden.

Ausgaben im Rahmen eines Sozialsystems sind nach wie vor keine Aufgabe der Europäischen Union und müssen bei den Mitgliedsstaaten verbleiben!

  1. Europäische Förderpolitik – Subsidiarität und Effizienz sichern

Sämtliche Prozesse der Umverteilung durch die Europäische Union bedürfen der ständigen Überprüfung und Nachjustierung. Es muss das Ziel sein, den Mitgliedsstaaten so viele eigene finanzielle Kapazitäten wie möglich zu belassen. Gleichwohl muss die ordnungsgemäße Verwendung der Gelder kontrolliert werden, um Missbrauch zu verhindern und das Vertrauen in die europäischen Institutionen zu vergrößern. Gerade bei der Einhaltung von Subventionskriterien gewährleisten die europäischen Institutionen einen unerlässlichen Schutz vor unzureichenden eigenen staatlichen Strukturen. Nicht selten kann so das Versickern von Mitteln frühzeitig unterbunden und der europäische Wettbewerb gestärkt werden.

  1. Wirtschafts- und Währungsunion – vereint zum Erfolg

Erst ein gemeinsames gesellschaftliches Wertefundament und die Kommunikation über Grenzen hinweg ermöglichen die zügige Verbreitung neuer Produkte und Dienstleistungen und somit gesamtgesellschaftlichen Fortschritt. Am Beispiel des Airbus lässt sich verdeutlichen, wie wichtig ein großer Binnen- und Absatzmarkt in Europa ist, um bei hohen Kosten in Forschung und Entwicklung am Ende marktreife Produkte herzustellen und Zulieferer in ganz Europa mit Aufträgen zu versorgen.

Am Beispiel des Schweizer Franken sieht man, wie sehr sich eine kleine Nation gegenüber einem großen Währungsraum behaupten muss. Der weltweit größte Binnenmarkt und Währungsraum wird künftig China mit seinen 1 Milliarde Menschen sein.

Eine Aufspaltung oder -splitterung der Währungsunion muss angesichts unkalkulierbarer Risiken und exorbitanter Auf- und Abwertungsprozesse mit allen Mitteln verhindert werden. Gleichzeitig stellt es für die Junge Union keine Infragestellung der Europäischen Idee dar, wenn einzelne Staaten Möglichkeiten geldpolitischer Eigenständigkeit nutzen wollen oder dies nach Bewertung von IWF, EU und EZB (der sogenannten Troika) als letzte Chance für wirtschaftliche Erholung angesehen wird.

Ziel muss sein, dass der Euro-Raum ein geld- und wirtschaftspolitischer Stabilitätsraum mit niedrigen Inflationsraten und Zinsen und einer unabhängigen Zentralbank EZB bleibt.

  1. Energieunion – Europa Energie geben

Europa steht vor enormen energiepolitischen Herausforderungen. Aufgrund der Energiewende bedarf es schneller Schritte bei der Entwicklung alternativer Konzepte, um die zusätzliche Belastung der Menschen beim Strompreis auf einem erträglichen Maß zu halten.

Dabei ist der Auf- und Ausbau europaweiter Verbundnetze von entscheidender Bedeutung, um die immer stärker schwankenden Kapazitäten und Lasten auszugleichen. Intelligente Systeme können in privaten und öffentlichen Gebäuden, in regionalen Netzen und auf überregionaler Ebene dazu beitragen, die Bedarfs- und Preisschwankungen innerhalb eines Tages sowie im Jahresverlauf auszugleichen.

Unter den Stromerzeugern muss endlich ein europaweiter Wettbewerb entstehen. Dabei muss Deutschland selbst mit bestem Beispiel voran gehen. Angesichts des deutschen Atomausstiegs muss europaweit über Möglichkeiten der Speicherung und Energiegewinnung nachgedacht werden. Gleichstromnetze müssen künftig den Strom über tausende Kilometer vom Erzeugungsort zum Verbraucher transportieren können. Gleichzeitig muss es das Recht einer jeden Region sein, ihren Strom vor Ort zu produzieren oder möglichst kostengünstig einkaufen zu können.

Eine noch größere Abhängigkeit von den fossilen Ressourcen Russlands sowie des nahen Ostens muss angesichts unsicherer politischer Verhältnisse mit allen Mitteln verhindert werden!

  1. Bildungsraum Europa – Wissenschaft und Erziehung verbinden

Europa hat eine lange gemeinsame Kulturgeschichte. So wurde die erste deutschsprachige Universität 1348 in Prag im heutigen Tschechien gegründet, die erste europäische Universität in Bologna ist mehr als 200 Jahre älter. Bedeutende wissenschaftliche Leistungen sind nur im europäischen Gesamtkontext möglich gewesen.

Die internationale Vergleichbarkeit der Studienleistungen war eines der zentralen Ziele der Bologna-Reform, das leider noch nicht erreicht wurde. Hier muss eine Reform der Reform ansetzen. Ein weiterer sehr kritischer Aspekt des Prozesses ist die hohe Verschulung des Studiums. Den Lehrenden und den Lernenden muss wieder ein höheres Maß an Freiheiten bei der Vermittlung bzw.  Aneignung von universitärem Wissen zugebilligt werden. Es braucht somit Standards, die die Abschlüsse vergleichbar machen. Wir unterstützen dabei ausdrücklich die erreichte Straffung des Studiums.

Die Junge Union tritt dafür ein, dass die Möglichkeit eines Master-Studiums im Anschluss an einen Bachelor-Abschluss der Regelfall an den deutschen Universitäten bleibt.

Das Erasmus-Austauschprogramm, das vielen deutschen Studenten ein Studium im europäischen Ausland ermöglicht hat, muss finanziell und organisatorisch neu belebt werden. Zurückgehende Teilnehmerzahlen belegen, dass das Programm an Attraktivität verloren hat, nicht zuletzt aufgrund des stark gestrafften Studienplans. Dabei ist nach wie vor die Anerkennung im Ausland erworbener Leistungen zu verbessern.

  1. Raum der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts – Freiheit, Sicherheit und Verantwortung austarieren

Die Freiheit der Menschen bei offenen Grenzen stellt ein hohes Gut dar. Ebenso wichtig ist der Bevölkerung allerdings auch die Sicherheit. Daher ist es richtig, den Beitritt zum Schengener Abkommen an hohe Kriterien zu koppeln.

[1] Vgl. Bericht Stoiber-Kommission „Europe can do better“.

Abstimmung

Vortum der Antragkommission:
Annahme in der vorliegenden Fassung
Votum des Landestages:
Annahme in der vorliegenden Fassung