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Die Rentenpolitik der Ampelkoalition: Mutlosigkeit als Programm und die Last für die Zukunft – Ein Standpunkt von Christopher Hauß und Marius May

Wenige Themen haben innenpolitisch eine derart hohe Brisanz wie die Rentenpolitik. Schon bei der letzten großen Rentenreform 1957 gingen einige Debatten im Bundestag als „Rentenschlacht“ in die Geschichte ein. Heute sind die Herausforderungen für das deutsche Rentenversicherungssystem mindestens genauso groß wie damals. Die politischen Entscheidungsträger der letzten Jahrzehnte haben dringend notwendige Änderungen nicht in die Wege geleitet, um die gesetzliche Rentenversicherung fit für den demografischen Wandel zu machen. Weder Unions- noch SPD-geführte Bundesregierungen hatten langfristig die Kraft, unpopuläre, aber dringend notwendige Entscheidungen zu treffen. Dabei wäre das auch durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz von 2019 ein Gebot der Rechtmäßigkeit. Dort stellte das höchste deutsche Gericht fest, dass Politik schon heute die Freiheitsrechte zukünftiger Generationen berücksichtigen muss. Mit der derzeitigen Planung in der Rente wird die Freiheit der jungen Generation mit Blick auf den Aufbau einer eigenen Existenz deutlich beeinträchtigt.

Nun hat die Ampel ihr Rentenkonzept für die nächsten 15 Jahre vorgestellt. Dort wird aus Mutlosigkeit eine Tugend gemacht. Während Rentenniveau und Renteneintrittsalter unverändert bleiben sollen, kalkuliert man offen mit einem deutlichen Anstieg der Beitragssätze jenseits von 20%.

Das geplante Generationenkapital ist maximal eine homöopathische Maßnahme und weit von dem großen Wurf entfernt, der zur Sicherstellung stabiler Renten notwendig wäre. Seit der Einführung des derzeitigen Rentensystems ist die Lebenserwartung in Deutschland um knapp 15 Jahre gestiegen. Auf der anderen Seite ist das Renteneintrittsalter real teilweise gesunken. Dieses Ungleichgewicht ist nicht finanzierbar. Wir halten eine Kopplung des regulären Renteneintrittsalters an die steigende Lebenserwartung für unabdingbar. Hierbei fordern wir einen Anstieg des Renteneintrittsalter von einem Jahr pro drei Jahre steigender Lebenserwartung. Diese Maßnahme sorgt in zweierlei Hinsicht für eine bessere Finanzierbarkeit des Rentensystems. Erstens erhöht sie das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentenbeziehern und zweitens verkürzt sie die Bezugsdauer. Die Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung ist ein gutes Beispiel für moderne Ordnungspolitik. Sie schafft einen Rahmen, der sich an die realen und sich ändernden Bedingungen anpasst. Somit ist sie auch nachhaltiger als beispielsweise eine Festlegung auf ein fixes Renteneintrittsalter.

Diese grundlegende Änderung sollte in eine Reihe flankierender Maßnahmen aus weiteren Bereichen der Sozialpolitik eingebettet werden. Es braucht eine gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung, um die Anzahl der Beitragszahler zu erhöhen. Konzepte, die die Teilzeitquote reduzieren, sind ebenso wichtig wie eine stärkere Integration von Einwanderern in den Arbeitsmarkt. Nicht zuletzt sollten auch wir als junge Generation von Gedankenspielen zu einer geringeren Arbeitszeit Abstand nehmen. Gemeinsam mit unserer Elterngeneration können wir die Rentenversicherung und unsere Volkswirtschaft auf den aufsteigenden Ast bringen. Stattdessen sollten wir die Reform des Rentensystems als gesamtgesellschaftliche Aufgabe ansehen. Dies kann auch den Zusammenhalt der Gesellschaft, insbesondere zwischen den Generationen, verbessern. Die Reform wird aber nicht umsonst sein, auch wenn man sich derzeit noch um den Eindruck bemüht. Aber sie wäre ehrlich. Und würde sich damit für alle lohnen.


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