

Agenda 49: Rheinland-pfälzische Gemeinden und Städte entfesseln – Für mehr kommunalen Gestaltungsspielraum
Die finanzielle Situation der Kommunen in Rheinland-Pfalz ist alarmierend und erfordert sofortiges Handeln. Mehr als 6.000.000.000 Euro an Kassenkrediten bei den Kommunen sind eine klare und dramatische Ansage. Die Kommunen in Rheinland-Pfalz mussten im Jahr 2023 mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 1.123,80 € erneut den traurigen „Spitzenplatz behaupten“.
Dabei ist die kommunale Verschuldung in Rheinland-Pfalz hausgemacht. Seit Jahren bekommen Landkreise, Städte und Gemeinden per Landesgesetz neue Aufgaben übertragen und immer höhere Standards vorgeschrieben, ohne auch nur im Ansatz die dafür notwendigen finanziellen Mittel vom Land zu erhalten. Dies widerspricht nach wie vor Artikel 49 der rheinland-pfälzischen Landesverfassung. Dort ist geregelt, dass das Land ausreichende Mittel für die Kommunen bereitstellen muss. Zudem wird das in Absatz 5 festgeschriebene sogenannte Konnexitätsprinzip, welches vereinfacht festlegt “Wer bestellt, muss auch bezahlen”, von der Landesregierung schon seit langer Zeit völlig missachtet. Die Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) oder das sogenannte “Kita-Zukunftsgesetz“ sind nur zwei Beispiele, in denen die Landesregierung bei einer konzeptionellen Neugestaltung des Rechtsrahmens kläglich gescheitert ist. Wir müssen endlich weg kommen von einer Landespolitik der netten Überschriften. Wir müssen überhöhte Standards, die sich die Allgemeinheit nicht mehr leisten kann, mit Augenmaß und gesundem Menschenverstand überdenken. Denn eins ist klar: Wir haben in Rheinland-Pfalz ein Ausgabe- und kein Einnahmeproblem.
Gemeinderäte und Ortsbürgermeister treten zurück
“Freisbach ist überall” – Diese Aussage hat sich in viele Köpfe der rheinland-pfälzischen Kommunalpolitiker eingeprägt. Und die finanzielle Lage der Ortsgemeinde Freisbach findet man tatsächlich überall in Rheinland-Pfalz wieder. Immer häufiger haben Ortsbürgermeister und Gemeinderäte in unserem Land keinen finanziellen Spielraum mehr, um die kommunale “Allzuständigkeit” zu erfüllen. Ob bei Investitionen oder freiwilliger Leistungen, in vielen Gemeinden müssen aufgrund landesrechtlicher Vorgaben die Sparschrauben äußerst eng angezogen werden, was zu realen Einbußen bei der Lebensqualität der Rheinland-Pfälzer führt. Freisbach war die erste Ortsgemeinde im Land, welche die Notbremse gezogen hat. Hier ist neben dem Ortsbürgermeister auch der gesamte Gemeinderat aufgrund der finanziellen Situation zurückgetreten. Doch Freisbach ist nur die Spitze des Eisbergs. Landesweit haben in den vergangenen fünf Jahren eine Vielzahl von Ortsbürgermeistern und Gemeinderäten einen Schlussstrich gezogen. Diese fatalen Ereignisse waren für viele Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer erschreckend verständlich. Viele Menschen in unserem Land sind in kommunalen Wahlen angetreten, um ihre Heimat zu gestalten. Viele von ihnen sind nun schnell ernüchtert, weil aufgrund der Kassenlage und der überbordenden Regularien der Landespolitik echte Mitbestimmung vor Ort nicht mehr möglich ist. Damit nimmt die demokratische Kultur in unserem Land maßgeblichen Schaden. Dies wird schon heute überdeutlich an den über 500 Ortsbürgermeisterpositionen, für die es nicht einen Kandidaten gab.
Das Grundprinzip der Subsidiarität wird mit den Füßen getreten
Unsere Kommunalpolitiker haben nur noch selten die Möglichkeit, das Dorf, die Stadt, die Verbandsgemeinde oder den Kreis selbstständig und aktiv zu gestalten. Nivellierungssätze und Umlagesätze werden ständig erhöht, um das Maß an Pflichtaufgaben überhaupt noch halbwegs erfüllen zu können. Unseren Landräten und Bürgermeistern wird so der “schwarze Peter” zugeschoben. In der Konsequenz schaffen es viele Gemeinden nicht, den sogenannten Ergebnishaushalt auszugleichen, was wiederum dazu führt, dass die Kommunalaufsicht der Kreisverwaltungen die Haushalte häufig nicht genehmigen dürfen. Als Folge des von der Ampel beschlossenen kommunalen Finanzausgleichs, schreibt die Kommunalaufsicht dann meist eine Erhöhung der Hebesätze auf Grund- und Gewerbesteuern vor, wodurch Bürger und Unternehmen zusätzlich belastet werden. Erklären und ausbaden mussten diese zusätzliche Belastung aber wieder mal nicht die Landesregierung und die Landes-Ampel, sondern die Ehrenamtlichen vor Ort. Kommunale Entscheidungsträger müssen wieder in die Lage versetzt werden, auch freiwillige Aufgaben dauerhaft über die Gebietskörperschaft abzubilden.
“Erdrosselungsgrenze” – Unser Unwort des Jahres
Auf der Grundlage unseres Grundgesetzes besteht ein sogenanntes “Erdrosselungsverbot” bei öffentlichen Abgaben. Dieses besagt, dass öffentliche Abgaben nur in einem erträglichen Maß für die Bürgerinnen und Bürger erhoben werden dürfen. Die persönliche und wirtschaftliche Entfaltung darf durch überhöhte Steuern nicht eingeschränkt werden. Doch stellenweise werden die rheinland-pfälzischen Kommunen gezwungen, bis an diese Grenze zu schreiten. In der Ortsgemeinde Bosenbach zum Beispiel, sprach der ehemalige Bürgermeister von einer “Erdrosselungspolitik” der Landesregierung. Dort bezahlten die Bosenbacher mit einem Hebesatz von 480 Punkten bereits die höchste Grundsteuer im Landkreis. Für den Erhalt des Freibads und des Bürgerhauses sowie für die notwendige Straßensanierung wäre laut Berechnungen der Verwaltung eine Erhöhung bis auf 2.000 Punkte notwendig gewesen – und damit eine Vervierfachung der sowieso schon hohen Grundsteuer. Nur so wäre der Haushalt der Ortsgemeinde nach Anweisung des Landes zu genehmigen. Die Landesregierung hat sogar vorgegeben, dass die Gemeinden notfalls bis an die “Erdrosselungsgrenze” gehen sollten.
In der gerade vergangenen Kommunalwahl wurden im ganzen Land neue Räte und teilweise Bürgermeister gewählt, die gerade dabei sind, ihre Arbeit aufzunehmen. Wir schlagen sofort umzusetzende Reformen vor, damit die frisch gewählten Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer in den nächsten fünf Jahren ihre Heimat tatsächlich gestalten können und nicht den Mangel verwalten müssen. Dies sind wir nicht nur den Kommunen, den Ratsmitgliedern, Bürgermeistern und unseren Bürgern schuldig, sondern am Ende auch der Demokratie in unserem Land. Ohne finanzielle Ressourcen ist keine Mitbestimmung möglich. Die Landesregierung und die Ampel muss JETZT Entscheidungsgewalt an die Kommunen zurückgeben.
Unsere Lösungen:
Es muss endlich Schluss damit sein, dass Bürger, Unternehmen, Kommunen und Kommunalpolitiker vom Land Rheinland-Pfalz im Stich gelassen werden. Dafür braucht es Mut und Haltung, bestehende Standards zu überdenken, den Kommunen ein wirkliches Mitspracherecht bei Gesetzgebungsverfahren einzuräumen, soziale Infrastruktur vor Ort als Pflichtaufgaben anzuerkennen, mehr freie Mittel durch die Reduzierung von zweckgebundenen Förderungen zu schaffen, langfristige Investitionen vorzunehmen und den Kommunen den notwendigen eigenen wirtschaftlichen Spielraum zuzustehen.
1. “Wir können uns nicht mehr alles leisten” – Standards überprüfen und anpassen – Konnexitätsprinzip ehrlich anwenden
Eine ehrliche Finanzausstattung ist unerlässlich. Das Prinzip „Wer bestellt, der muss auch zahlen“ muss konsequent umgesetzt werden. Bei Aufgabenübertragungen und Standards durch Landesgesetz muss das Konnexitätsprinzip strikt angewendet werden. Es darf keine Gesetze mehr geben, die nicht einen realistischen Landesbeitrag beziffern. Dieser Beitrag muss jährlich flexibel an Inflation und Preissteigerungen angepasst werden – darf dabei aber eine Mindestausstattung nicht unterschreiten. Daher muss der Landesgesetzgeber eine Inflationsklausel in die Gesetzgebung aufnehmen.
Wir brauchen endlich mehr Ehrlichkeit in der Landespolitik. Politische Entscheidungen dürfen nicht mehr auf Basis von gut lautenden Überschriften getroffen werden, sondern sie müssen sich an dem Wohl der Menschen orientieren. Dazu gehört es auch, ehrlich und nachhaltig mit den zu setzenden Standards zu arbeiten. Die Landespolitik darf keine Versprechungen mehr machen, die finanziell und wirtschaftlich nicht haltbar sind.
Die Kommunen dürfen nicht länger durch immer neue Pflichtaufgaben auf der Ausgabenseite ruiniert und auf der Einnahmenseite im Stich gelassen werden. Das Problem sind in erster Linie nicht zu geringe Einnahmen, sondern zu hohe Ausgaben, die vom Auftraggeber nicht angemessen gegenfinanziert werden.
2. “Unsere Bürgermeister wissen am besten, was gut fürs Dorf ist”, Das Grundprinzip der Subsidiarität ernst nehmen – Kommunen endlich ein Mitspracherecht einräumen
a) Die Souveränität der Kommunen muss gestärkt werden, indem Landkreisen und kreisfreien Städten ein Mitspracherecht in der Landesgesetzgebung eingeräumt wird. Es sind unsere Kommunen, die am Ende des Tages als untere Landesbehörde oder als Auftragsverwaltung, oder als Träger definierte Standards umsetzen müssen. Gleichzeitig müssen wir wieder mehr Mut beweisen, nicht alles im Einzelfall regeln zu wollen. Gesetze müssen wieder mehr Spielraum und „Ermessen“ berücksichtigen, damit unsere Kommunen souveräne Entscheidungen nach dem Prinzip der Subsidiarität treffen können.
b) Sei es die Volkshochschule oder der Sportplatz, das Schwimmbad oder die Turnhalle. Sie alle bestimmen die Lebensqualität in unseren Dörfern und Städten. Nach Auffassung der Landesregierung handelt es sich hierbei um “freiwillige Leistungen” – das ist fatal. Denn an dieser Stelle müssen unsere Bürgermeister und Räte als erstes den Rotstift ansetzen. Es muss eine „Ur-Pflichtaufgabe“ unserer Ortsgemeinden sein, für ein gutes Miteinander zu sorgen. Denn die Verbindungen vor Ort bilden das Grundgerüst zum Funktionieren unserer Gesellschaft.
3. “Echte kommunale Selbstverwaltung statt starrer Zweckbindung” Den gewählten Kommunalvertretern die gebührende Entscheidungsfreiheit einräumen
Es braucht mehr allgemeiner statt zweckgebundener Mittel. Auch deshalb muss der kommunale Finanzausgleich dringend reformiert werden. Fördermittel dürfen nicht in erster Linie ein finanzielles Instrument sein, um ausschließlich politische Ziele der Landesregierung zu erfüllen. Wenn es faktisch nur noch möglich ist, einen finanziellen Zuschuss zu erhalten, damit der politische Willen der Landesregierung realisiert wird, ist die kommunale Selbstverwaltung in Gefahr. Räten und Bürgermeistern muss die Möglichkeit eingeräumt werden, selbst zu entscheiden, wie die finanziellen Mittel am besten für ihr Dorf eingesetzt werden können. Denn das wissen die Menschen vor Ort deutlich besser als die Beamten in Mainz.
4. “Die Schaufel muss in die Erde” – Investitionen in die Infrastruktur voranbringen
Ob beim Strom- und Glasfasernetz oder der Verkehrsinfrastruktur: Die wirtschaftliche Attraktivität unseres Landes ist davon abhängig, dass wir auch morgen noch über eine starke und intakte Infrastruktur verfügen. Die Mittel für Investitionen zum Beispiel im Landesverkehrsfinanzierungsgesetz stagnieren seit Jahren auf einem absoluten Wert. Das bedeutet in Wahrheit reale Wohlstandsverluste. Der Haushaltsgesetzgeber muss lernen richtige Prioritäten zu setzen. Dafür müssen konsumtive Ausgaben sinken und der investive Anteil dringend erhöht werden.
Die Jahressteuerschätzungen des Bundes für das Jahr 2025 gehen von einem Rekordwert von 995 Milliarden Euro aus – das ist spitze! Doch viele Unternehmen justieren ihre Strategien auf Grund hoher Energiepreise, starker Bürokratie und einen massiven Arbeitskräftemangel neu. Es muss unser großes Ziel sein, Industrie und somit Wertschöpfung, wertvolle Arbeitsplätze und Wohlstand im ländlich geprägten Rheinland-Pfalz zu halten. Nur starke und handlungsfähige Kommunen können einen attraktiven ländlichen Raum garantieren, der zukünftig Heimat für innovative Unternehmen und junge Familien gleichermaßen bietet.
5. Bürokratie- und Kostenabbau durch eine moderne und effiziente Verwaltung
Die Digitalisierung bietet die Chance, die Kommunalverwaltungen in Rheinland-Pfalz zu modernisieren und damit mittelfristig deutliche Bürokratie- und Kostenersparnisse zu erzielen. Diese Möglichkeiten werden allerdings in unserem Land kaum genutzt. So landet Rheinland-Pfalz im vor kurzer Zeit veröffentlichten Digital-Index der BITKOM auf dem weit abgeschlagenen Platz 13 unter den Ländern. Es ist aber auch insgesamt nicht zielführend, wenn einzelne Kommunalverwaltungen komplett allein versuchen diesen Rückstand aufzuholen. Die Landesregierung muss wesentlich in die Digitalisierung der Kommunen investieren und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die Hand nehmen. Unsere Nachbarn in Hessen machen es uns vor. Hessen investiert seit vielen Jahren massiv in die Digitalisierung der Kommunen, unterhält vielfältige Beratungsangebote, stellt digitalisierte Verwaltungsleistungen kostenfrei zur Verfügung und betreibt eine kommunale Koordinierungsstelle, als zentrales Bindeglied zwischen Land und Kommunen. Auch hier muss Rheinland-Pfalz endlich mutig voran gehen und gemeinsam mit den Kommunen die Digitalisierung der Verwaltung energisch vorantreiben.
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